17. Mai 2011

Perpignan. Visa pour l'Image 1989 bis 2010. 22 Jahre Propaganda

Gründer und Generaldirektor der Internationalen Fotoausstellung ist Jean-François Leroy, er und sein Team präsentieren Jahr für Jahr auf Fotopapier festgehaltene schwarz-weiß oder farbig dokumentierte einseitige Weltsicht, Israelfeindschaft, Begeisterung für die palästinensischen Kämpfer gegen Israel und Anti-Amerikanismus, der Rest ist Entwicklungsländerexotik, durchsetzt mit Schrot und Blei. Jean-François Leroy nennt solches "Fotojournalismus von Qualität".

Fortsetzung im Artikel Leroy Soleil : Ich bin ein Festival des Photojournalismus.

Stichproben 1989 bis 2000

1989 zeigt der französisch-iranische Fotograf Alfred Yaghobzadeh Gaza-Fotos. Auf seiner Website sind heute die üblichen Fotos aus der Intifada II veröffentlicht, ein jugendlicher Steinewerfer, ein israelischer Soldat in Ramallah, in Beit Sahour über brennende Reifen springende vermummte Jungen, Jungen in Ramallah auf der Flucht vor israelischen Soldaten etc. So sieht er die Intifada in Palästina, es ist ein ästhetisches Vergnügen, diese Fotos anzusehen, aus denen der Künstler alles entfernt hat, was die Wirklichkeit ausmacht. Alle Ästheten zusammengenommen ergeben den größten Misthaufen der Welt.

Der französisch-chilenische Fotograf Patricio Estay, heuer mehr auf Tibet und den Dalai Lama spezialisiert, präsentiert gemeinsam mit seinem engen Freund Alberto Korda die kubanische Revolution nach dreißig Jahren, “Trente Ans de Révolution Cubaine". Nazca Pictures zeigt einige Kuba-Fotos des Patricio Estay, die obligatorische Drag Queen - immer sehr beliebt, auch auf Israelfotos wie dem der Drag Queen von Sheba der von Visa 2010 ausgestellten Fotografin Gali Tibbon. Patricio Estay allerdings zeigt davon zuhauf. Er knipst so eine Art Lützower Lampe oder Chez Nous von Kuba. Imperio sieht schon geil aus. Was aber auch die kubanische Revolution hervorbringt: Réac-Stil der 50er und 60er Jahre, und dazu die Ami-Schlitten!

Der kubanische Fotograf Alberto Korda ist passend dazu der Schöpfer der Weltikone Che Guevara, von Gianfranco Feltrinelli in der Welt verbreitet, ohne daß Alberto Korda dafür eine Pesete gesehen hätte. "Korda hat das nie gestört", meint die TAZ dazu. So sind sie die Linken, ob Mord, ob Fütterung der Armen, sie tun ihr Werk immer selbstlos, der Sache wegen, zur Rettung der Menschheit.

1990 gibt's einen Ausflug in die islamische Welt, Terre d'Islam, Guérillas des französischen Fotografen Benoit Gysembergh, viel Retro, Kriegsfotos von Patrick Chauvel, "einem der verrücktesten Fotografen der Welt", Reporter des menschlichen Elends, bekannt durch seinen Dokumentarfilm über Wafa Idris, die erste Selbstmordattentäterin und Ikone u.a. des Mohamed Salmawy, des Chefredakteurs der französischen Ausgabe der ägyptischen Regierungszeitung "Al-Ahram" und Autor des Buches Wafa Idris and other Palestinian Stories. Patrick Chauvel lernt sie anläßlich eines Films über den Roten Halbmond kennen. Wie oft bei solchen als objektiv angepriesenen Bildern stellt der Dokumentarist die Frage und zeigt damit, daß er trotz seiner Weltläufigkeit nichts begriffen hat: "Comment une jeune femme aussi dynamique a-t-elle pu décider de devenir le numéro 47 sur la liste des kamikazes ?" Wie konnte eine so dynamische Frau entscheiden, die Nr. 47 auf der Liste der Kamikadze zu werden? Auf einem Dailymotion-Video (1:02) ist die sympathisch und resolut wirkende Wafa Idris ausführlich zu sehen. Weil sie so ist, Patrick Chauvel, wird sie Selbstmordattentäterin. Sie setzt es gegen das Fatah-Mitglied Adnan al-Jada durch.

Mohamed Salmawy schreibt in seinem Buch: "Eines Tages brach eine starke Kontroverse aus zwischen [Wafa Idris] und Adnan al-Jada, einem Mitglied der Fatah. Wafa sagte ihm: 'Was unterscheidet dich von mir als palästinenischer Bürger/als palästinensische Bürgerin? Wir sind beide gleich. Tatsächlich ... fürchten die Israelis die Frauen mehr ..."

Die Ausstellungen der folgenden Jahre sind nicht besonders hervorzuheben, bunte Mischung von Folklore mit eingestreuten Muslim- und Palästinensersympathien, 1994 der Bürgerkrieg in Kroatien und Bosnien, Maos hundertster Geburtstag und ein Jahrhundert Rugby, Hochzeiten in New York, The Kennedy Legacy, Porträts von Amerikanern; 1995 Venus Williams; 1996 wenig erwähnenswert. 1997 Judah Passow: Ein palästinensischer Junge richtet eine Spielzeugpistole auf den Kopf eines italienischen Soldaten, der 1982 im Flüchtlingslager von Sabra patroulliert. "Obgleich er Jude ist, fotografiert Passow die Angelegenheit nicht von einer Seite aus - tatsächlich zeigt er oft Palästinenser als die Opfer ..." Wo bei seinen Fotos die eine Seite, die israelische ist, möge man mir zeigen, auf seinen Fotos, die er selbst veröffentlicht, sehe ich kaum etwas davon: Israelis als Besatzer, Araber im Elend, israelischer Vater weint über seinen in der Westbank gefallenen Sohn. Die USA der Nina Berman kommen erstmalig vor bei Visa, mit Crazy Americans. 1998 AIDS, Kinderarbeit, Sklaven, Afghanistan, Guatemala und andere Entwicklungsländer, der israelische Fotograf Esaias Baitel, Bebilderer eines Buches über Purim: Das jüdische Fest der Freude bei den Chassidim in Jerusalem. Man sieht sie vor sich, Schläfenlöckchen, schwarze Hüte, Mützen mit schwarzen Pelzrändern, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, tanzend - ja so sind sie, die Juden, ich erkenne sie von meiner letzten Israelreise wieder, ganz Jerusalem ist voll von ihnen, schwärzer als die schwarzen Pinguine im Iran.

1999 wieder viele Entwicklungsländer, Timor, Daghestan, Nicaragua, Mexiko, Tibet etc. Die Zielgruppe des BMZ nahezu komplett. Außerdem die amerikanische Fotografin Annie Griffith-Belt, für National Geographic in Israel. Jerusalem und Naher Osten, Photo Gallery in der National Geographic: Alte Männer in der Al-Aqsa-Moschee studieren den Koran, jüdisches Liebespaar küßt sich auf dem Zion Square, Juden beim Purim-Mahl, äthiopischer Mönch und arabischer Christ am Heiligen Grab, orthodoxe Juden, Schläfenlöckchen, schwarze Hüte, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, an die Klagemauer eilend, (arabisch-christlicher) Verkäufer von Devotionalien am Olivenberg, ein Besucher trägt ein Kreuz, während ein Priester in der Bibel liest, Christen entzünden zu Ostern Kerzen in der Kirche zum Heiligen Grabe, griechisch-orthodoxe Frauen, einige mit Kreuz, kommen zum Karfreitag zusammen, The Dome of the Rock, one of the Muslim world’s holiest shrines, marks the spot where Muhammad ascended to heaven. Als Tatsache verkauft! Der Felsendom, ... wo Mohammed in den Himmel aufgestiegen ist. Überschrift der Fotoserie: Leben in Jerusalem.

Stichproben 2000 bis 2010

2000 gibt's Fotos zu den Wahlen in den USA, Jugend in Frankreich, geliefert vom Kulturministerium, Alfred Yaghobzadeh, bekannt aus der ersten Visa-Ausstellung, ist wieder dabei, diesmal wird die Welt durch die Religionen betrachtet, A travers les religions. Er selbst ist armenischen Ursprungs, siedelt aus der Türkei in den Iran über, legt seinen armenischen Namen ab, geht in eine zoroastrische Schule, regelmäßig auch in den zoroastrischen Tempel, lernt unterwegs, in der Chiaban-e Manusheri Juden kennen, Händler und Antiquare, feiert das persische Neujahrsfest. "Der Islam war weit, und man badete in den Tausenden von Jahren Persiens." Jetzt arbeitet er über religiöse Minoritäten. Wer könnte ein besserer Experte in dem Exotenladen Visa pour l'Image sein, als Alfred, Sohn des Jakob?! 2006 kehrt er in den Iran zurück, um die Mollahs und die iranischen Frauen zu porträtieren, er scheint nichts zu befürchten zu haben, 2008 ist er schon wieder in Perpignan, nach der Grünen Revolution, 2009, darf er nicht mehr zurückkehren.

Mit der Zweiten Intifada, ab September 2000, geht es bei Visa pour l'Image endlich richtig los. Nicht mehr nur harmlose Bilder von Jerusalem, nicht mehr nur orthodoxe Juden, Schläfenlöckchen, schwarze Hüte, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, nicht mehr nur hier und da Sympathien für die palästinensischen Araber, sondern 2001 bringt die offen zur Schau gestellte Gegenerschaft gegen Israel.

Chris ANDERSON / Aurora / Cosmos - The Stone Throwers
Jan GRARUP / Rapho - The boys from Ramallah
Kodak Young Photographer Award: Chris ANDERSON / Aurora / Cosmos - The Stone Throwers
World Understanding Award. Jan Grarup. Rapho / Stern Magazine. "The Boys From Ramallah"

Playing War, betitelt die New York Times einen gegen Israel gerichteten Haß-Artikel, vom Heiligen Abend des Jahres 2000. Autor ist Michael Finkel, die Fotos dazu liefert Chris Anderson, Fotograf bei Visa pour l'Image 2001.

Ästhetisch drapierte Knaben, spielend, steinewerfend und am MG trainierend, kann man in der Globalist Photo Gallery bewundern.

Im Photography Magazine berichtet der 31-jährige Chris Anderson über seinen ersten Aufenthalt in Israel, im Jahr 2000, da er umgehend nach Gaza eilt, um während eines Monats diese jungen Burschen zu fotografieren, die "zu der Zeit Steine auf die israelische Armee werfen. Es war eine sehr menschliche Geschichte über normale junge palästinensische Kinder, die es liebten, Sachen kaputtzuschlagen, weil sie sonst keine Freizeitbeschäftigung hatten. Für sie ging es nicht nur um Politik oder Religion, sondern um Langeweile und Frustration." Die Kinder wären so frustriert gewesen wie ihre großen Brüder, ihre Väter und Großväter. Kodak prämiert die Fotos mit dem Kodak Young Photographer Award.

Auch Jan Grarup, 33 Jahre jung, knipst in diesem Sinne. The boys from Ramallah. Alle Fotos zeigen eine einzige distanzlose Affinität zu diesen Jungen; sie machen in der Zweiten Intifada Späße, die von israelischen Soldaten falsch verstanden werden. Von Seiten der Jungen ist alles harmlos, was die Bildunterschriften zur Serie von 30 Fotos dokumentieren. Hier eine Auswahl der Untertitel, in Klammern die Nummern der Fotos:

Jungen trainieren in Ramallah Nahkampf. (1) Ahmed und Hussein fühlen sich gerade noch im Steinwerf-Alter, demnächst werden sie ihre Zwillen durch Maschinengewehre ersetzen. Sie beide haben ihre politische Ansicht geäußert, sie gehören zur Fatah. Diese sollte Israel einen viel blutigeren Kampf liefern als bisher. (2) Einer der Jungen von außerhalb Ramallahs, er geht täglich nach der Schule zum Steinewerfen. (5) Tanzim Training (6). Ein Junge versucht, in Frauenkleidern (Niqab) in die Altstadt von Jerusalem zu gelangen, die Jugen tun solches, um Spaß zu haben und Mut zu beweisen. (9) Drei Jungen provozieren israelische Soldaten. (10) Mohammed, vier Stunden, bevor er von einem Scharfschützen getötet wird, einem israelischen, versteht sich von selbst, es muß nicht erwähnt werden. (11) Märtyrer Mohammed, 15 Jahre alt. (16) Ältere Jungen trainieren kleinere auf einer Tanzim-Demonstration, wobei man deutlich sieht, daß es sich um einen erwachsenen Kämpfer handelt. (26)

Beide Fotografen verhehlen durch die Fotos nicht ihre sexuelle Neigung zu pubertierenden Jungen, sie ist in jedem Foto dokumentiert.

Das sind die zur Fotoausstellung nach Perpignan eingeladenen Fotografen. Zum Attentat der Qaida auf die USA hat Visa pour l'Image im Jahr 2002 nichts durch Fotos zu dokumentieren, nada, nicht einen sich aus dem Fenster eines höheren Stocks stürzenden Menschen, sondern nur anti-amerikanische Beiträge, Altern in den USA, Girl Kultur, drogenabhängige Mütter und Kinder in Brooklyn, das zerschlagene Empire, das Weiße Haus: Zwanzig Jahre dokumentiert Diana Walker das öffentliche und private Leben der US-Präsidenten, von Jimmy Carter bis Bill Clinton.

Und es gibt wieder Israels Haredim, die allzeit dankbaren Objekte; das sind diejenigen, die ihre Frauen anhalten, das Haupt zu bedecken, die Frauen nicht die Hand geben, die lieber die Torah studieren als zu arbeiten und samstags auf Parkplätzen randalieren. Menachem Kahana, AFP, fotografiert sie immer wieder gern, die lustigen Schläfenlöckchen, schwarzen Hüte, Mützen mit schwarzen Pelzrändern, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, auch die putzigen Mitglieder der Neturei Karta, hier und hier sind Haredim sowie Neturei Karta aus dem Jahr 2009: "Wir bitten darum, daß die Vereinten Nationen eine internationale Truppe schicken, um unsere palästinensischen Brüder vor der zionistischen Unterdrückung zu schützen."

Und endlich entdeckt Jean-François Leroy unseren deutschen Israelhasser Kai Wiedenhöfer. Verlinkt werden seine Fotos wie auch die von Jan Grarup auf Palästinensersites, bei Mideast Just Peace beispielsweise, wobei es sich von selbst versteht, daß die Betreiber der Website wissen, was gerechter Frieden ist. Dort liest man alles rund um die Mauer, der deutsche Mauer-Fotograf Kai Wiedenhöfer ist ebenfalls vertreten, im Jahr 2003 hat er seinen ersten Auftritt bei Visa pour l´Image, mit seiner Serie Perfect Peace - From Intifada to Intifada, die ausführlich gewürdigt wird auf der bundeseigenen Qantara. Das Foto eines orthodoxen Juden mit den lustigen Schläfenlöckchen, schwarzem Hut, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, ist drapiert vor zwei bewaffneten Siedlern, und die Lügengeschichte von Mohammed al-Dura gibt's als Dreingabe.

Dann bietet Visa 2003 noch schmutziges Erdölgeld. Jan Grarup kümmert sich diesmal um jüdische Knaben. The Boys from Hebron, Occupied West Bank, deckt die andere Seite der Intifada II ab, wie die Agentur Noor meint. Eine Slide Show von 18 Fotos aus 2002/2003 stimmt ein, was die Besucher von Visa pour l'Image 2003 außer Kai Wiedenhöfer noch erwartet: "Mario badet während der heißen Sommermonate in einer alten palästinensischen Quelle. Die Jungen schwimmen und spielen oft in den Quellen, um die palästinensischen Jungen zu provozieren." Die übrigen Fotos sind nicht beschriftet, sie zeigen die üblichen Clichés, junge Juden, die Torah küssend, die Nationalfahne schwenkend, immer wieder Juden bis an die Zähne bewaffnet, bestaunt von Jungen.

Christine Spengler bietet Années de guerre, Kriegsjahre, das gleichnamige Buch ist in den Éditions Marval erschienen. Sie wird bei Wiki vorgestellt, daß sie die Kriege vor allem aus dem Blickwinkel der Opfer sähe. Das impliziert, daß diese Fotografin weiß, wer in dem jeweiligen Krieg Täter und wer Opfer ist. Möge sie nie von einem minderjährigen unterdrückten Gaza-Jungen bei dessen harmlosen Spielen verletzt werden. Auf ihrer Website sieht man einige der armen Opfer, verschönert von einer Plakette mit dem Che-Foto von Alberto Korda, auch den jungen Che hat sie im Angebot. Kitsch, zu kaufen! In Perpignan würdigt Jean-François Leroy das mit 'ner Retro. Aber es gibt 2003 auch viel Folklore.

Ab 2004 geht's dann richtig los mit der pro-islamischen, anti-amerikanischen und anti-israelischen Propaganda: Schiitisches Erwachen. Die zweite Intifada. Israel / Palästina: am Fuß der Mauer. Ein Jahr nach dem Fall des Rais. Karim Ben Khelifa selbst nennt es auf seiner Website Iraq. One Way Babylon. Hollywood. Christopher Morris liefert Anti-George W. Bush-Fotos: "The New Republic. Eine Nation unter Gott. Drei Jahre der Republikanischen US-Präsidentschaft, wie in Christopher Morris laufender Ausstellung beim Visa Photo Festival (Perpignan, Frankreich, bis 12. September 2004) zu sehen."

Aus ca. einem Drittel der Titel kann man nicht entnehmen, was einen erwartet, man müßte jeden einzelnen Fotografen googlen. Bei denjenigen, die sich um den Nahostkonflikt drehen, ist es immer klar: für die Araber, gegen Israel, mit einigen wenigen Tupfern neutraler Darstellung und vielen Haredim. David Strick's Hollywood scheint nicht die übliche USA-Schelte zu transportieren. Einige Retros, für Charles Harbutt, den ehemaligen Präsidenten von Magnum, und für Willy Ronis sind auch nicht verdächtig, die Namen sind bekannt.

Um Willy Ronis trauert der Festival-Generaldirektor am Ende von Visa 2009 lauthals in der Öffentlichkeit, er weint um seine Freunde, um den kämpferischen Christian Poveda, am 2. September 2009 in El Salvador von seinen Schützlingen ermordet, und um den im Alter von 99 Jahren verstorbenen großen Fotografen Willy Ronis, den Großvater aller Fotojournalisten, dessen "humanistische Fotos voller Zärtlichkeit" sind "für ein Frankreich, das sich jeden Tag ein wenig mehr verliert." Damit meint er nicht etwa die Zerstörung der westlichen Kultur und Zivilisation durch die fortschreitende Islamisierung, sondern Boule, Baguette und Baskenmütze. Wer je Nachkriegsfotos von Paris gesehen hat, kennt das 1952 aufgenommene Foto des kleinen Blondschopfs, der mit dem französischsten aller Weißbrote im Laufschritt über den Gehsteig eilt! Im Artikel Perpignan. Visa pour l´Image. Zwei Tragödien und eine Bilanz kann man darüber mehr lesen.

Von einer Ehrung des Freundes Christian Poveda habe ich bis heute nichts vernommen. Vielleicht wird das eine Überraschung?

2005 werden Fotos des Chief Photographer for Israel and the Palestinian territories for Agence France-Press Patrick Baz ausgestellt: Extreme Middle East. Auf der AFP-Site kann man einige solcher Fotos sehen. Die Tendenz ist immer dieselbe: Abgesehen von Folklore demonstriert er harmlose Kinder und die hilflosen Opfern gegenüberstehende drohende Militärmacht. Die Fotos sagen aus, wer Opfer und wer Täter ist.

Google.de Patrick Baz Israel, und das Herz aller Israelfeinde schlägt höher: Die Angriffe Israels in der Region, israelische Tanks und Panzerwagen warten an der Grenze zu Gaza zum Bodenangriff. Ein jüdischer Junge (mit Schläfenlöckchen!) schaut der Artillerie am 11. Januar 2009 zu. "Einige Juden ziehen es vor, nicht vorm Bildschirm, sondern persönlich den Krieg gegen die Hamas zu beobachten."

Patrick Baz ist auch als Kollege des Green-Helmet-Guy unterwegs, auch er hat sich verdungen als Retter des Libanon. Man erinnert sich? Elder of Ziyon hat's: Today's staged Hezbollah photos 8/28: In Trümmern auf bunten Möbeln Tee trinkende Frauen mit Kleinkind, ein Junge, drapiert auf Trümmern, ein weiteres Foto ist leider nicht mehr online, eine schiitische Libanesin blickt auf die Trümmer eines von Israel unterhaltenen Gefängnisses, im Libanon. PATRICK BAZ/AFP/Getty Images

Jetzt ist Patrick Baz von seinem Arbeitsplatz in Zypern nach Libyen versetzt worden, und da fühlt er sich in Benghazi, der Hochburg der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG), unter den Glaubenskämpfern in seinem Element. Sie können gern Allahu Akhbar auf ihre Gewehrstände schreiben, was sogar die Tagesschau zeigt, und mit dem islamischen Schlachtruf in den Kampf ziehen, Fotoreporter wie Patrick Baz macht es nicht stutzig, oder es ist ihnen gleichgültig. Warum auch, schließlich kämpfen die USA, Großbritannien und Frankreich ebenfalls für sie. Darf man hoffen, daß Visa 2011 das berühmte Foto des am 19. März 2011 abgeschossenen libyschen Bombers ausstellt? I realized that this is a picture you take once in a blue moon. It’s being there at the right time, at the right moment, at the right place, with the right lens. Allein deswegen würde ich als Kriegskind, das im Februar 1945 leider nur die berüchtigten gleißend weißen "Tannenbäume" am Nachthimmel bewundern durfte, bis mich meine Mutter aus dem Bett riß und mit mir im Keller verschwand, mich dorthin begeben. Rebellen an der Front, Rebellen im Kampf um Adjdabiya, Gefangennahme eines pro-Gaddafi-Militärs durch Rebellen, Zerstörung von Gaddafis Material durch einen französischen Luftangriff, westlich von Benghazi: Krieg ist geil!

Gaza. Leben in einem Käfig, bietet Jérôme Equer/Vu, La vie en cage, nach seinem am 8. April 2005 gemeinsam mit Hervé Kempf in den Éditions du Seuil veröffentlichten Buch. Schon das Titelfoto überzeugt: "Diese 2004 realisierte Reportage über die Tragödie des Gazastreifens beantwortet eine einfache immer vergessene Frage: Wie kann man sein Alltagsleben in einem winzigen, übervölkerten und dem Krieg ausgelieferten Landstrich führen? Ergebnis mehrerer längerer Reisen sowohl auf palästinensischer als auch auf derjenigen der israelischen Siedler, werfen diese Fotos ein völlig neues Licht auf dieses 'Gefängnis unter offenem Himmel' ..."

Das ist die Aussage, und so kommt sie an bei Visa 2005: Es handelt sich um eine Tragödie, niemand kann dazu, nicht einmal Israel? Doch; das wird durch die israelischen Siedler dokumentiert. Aber es gibt keine geschichtlichen und politischen Zusammenhänge, der Streifen ist seinem Schicksal ausgeliefert, er ist ein Gefängnis, Israel ist sein Wärter. Verantwortung liegt allenfalls dort, die Araber jedenfalls haben keine.

Paul Fusco fotografiert Beerdigungen von im Irak gefallenen Soldaten, ein Tabu-Thema sei das auf Grund der Tatsache, daß die meisten Opfer nicht aus wohlhabenden Familien stammen ("dachte jemand, es wäre anders?") Visa 2005 bricht das Tabu und exponiert die USA. Das ist der Sieg der Moral Frankreichs über die Amerikaner.

Yuri Kozyrev, Noor/Time Magazine, stellt Irak-Fotos aus, 2008 ist er noch einmal vertreten mit Fotos von 2006 bis 2008. AFP-Fotograf Mauricio Lima ist mit Irak-Fotos aus sieben Monaten dabei, ab November 2003 begleitet er die amerikanischen Truppen. Er fotografiert, am 15. Dezember 2003, US-Soldaten vor dem Schlupfloch in ad-Dawr, wo 600 Soldaten zwei Tage zuvor Saddam Hussein ausgehoben haben, sowie einen Soldaten, der das Innere der Hütte, die als Versteck gedient hat. Jérôme Sessini dokumentiert den Irak von März 2003 bis Januar 2005, wie Mauricio Lima nimmt er die Position der amerikanischen Soldaten ein.

Sieht man von den Fotos des Paul Fusco ab, die von der moralischen Überlegenheit Frankreichs über die USA zeugen, sind die anderen nicht anti-amerikanisch, und das wäre dem Jean-François Leroy auch nicht zu raten. Nach der Ablehnung des Irakkrieges als gefährliches Abenteuer durch Jacques Chirac muß jetzt für die Wiederaufnahme der früheren Geschäftsbeziehungen Frankreichs mit dem Irak Überzeugungsarbeit bei der US-Regierung geleistet werden. Aufträge für Milliarden Dollar sind zu vergeben. Zum Ausgleich gibt es von ar-Reuters Fotos der drei Brüder Ahmed Jadallah (35), Suhaib Salem (26) und Mohammed Salem (20) von den täglichen Beerdigungen in Gaza. Man kann sich vorstellen, daß diese Brüder, denen die Toten namentlich bekannt sind, teilweise handelt es sich bei ihnen um Freunde, parteiisch an ihre Arbeit gehen. Das wäre nicht erwähnenswert, wenn es seit 1989 auch nur ein Foto in den Visa-Ausstellungen gäbe, das einigermaßen sachlich über Israel berichtete.

2006 ist in den Überschriften zu den einzelnen Ausstellern weder anti-amerikanische noch anti-israelische Thematik. Shaul Schwartz bekommt einen Visa d'Or für Gaza- und Westbankfotos, und da kann man getrost annehmen, daß er die Israelis nicht sonderlich sympathisch darstellt, sonst bekäme er keinen Preis. Er bringt auch das obligatorische Foto von orthodoxen Juden am Strand, Schläfenlöckchen, schwarze Hüte, etwas linkisch und weltfremd dreinschauend, 'ne Prise Mißtrauen, tanzend - ja so sind sie, die Juden. Er dokumentiert das Gaza Pullout, l'evacuation de Gaza, die letzten drei Monate der Juden in Gush Katif. Patrick, auf dessen Site Fotos zu sehen sind, moniert Photoshopping, nun schon hinreichend bekannt vom Green Helmet Guy der Agentur ar-Reuters und von Patrick Baz, AFP.

Die Serie von 30 Fotos beginnt mit einem Zaun um die Siedlung Bdolach, in Gush Katif. Gaza ist ein großes Freiluftgefängnis, und darin leben Siedler, die sich in ein Gefängnis begeben haben. Man sieht die Hesder Yeshiva in Neve Dekalim, konstruiert als riesiger Davidstern, es folgen Panzer in der Wüste, ein rosa Dreirad in einer vermüllten Gegend, eine einsam pinkelnde Hündin in Shirat Hayamin, ein russischer Immigrant, Menschen in Trümmern, im Training rennende Soldaten, Basketball spielende IDF-Soldaten an einer Barrikade, ein Siedler im Gebetsmantel, die schon erwähnten Juden mit den Schläfenlöckchen, einen Siedler in seinem Treibhaus, neben ihm zwei Muslime, einer davon betend, junge Siedler bei der Prüfung von Gewehren auf einer Ausstellung von Militärgerät zum Unabhängigkeitstag, vorn im Bild ein Jude mir Schläfenlöckchen, er ist der einzige auf dem Foto, darum kommt er vorn ins Bild, ein junges Mädchen auf dem Dach, im Massengebet gegen die Räumung von Gaza, eine Reihe von Soldaten in der Nacht vor der Räumung, hinter Stacheldraht sich vorreckende Fäuste, im Hintergrund brennende Autoreifen, eine Frau mit Einkaufstüten, im Hintergrund brennende Autoreifen, ein mit einem Polizisten vor einer Israelflagge argumentierender rechter Siedler, in der Sanur Siedlung, Westbank, Soldaten, ein in der Synagoge betender Siedler vor einer sich spiegelnden Häuserreihe, neue Häuser vor blauem Himmel, auf einem ein Siedler, der nicht weg will, Siedler auf dem Dach ihres Hauses, von Soldaten heruntergeholt, ein Jude, der die Torahrolle hinwegträgt, brennende Haufen, die Juden lassen verbrannte Erde hinter sich, zornige Siedler vor Rauchschwaden, in Amona, Westbank, Soldaten hoch zu Roß, gegen Siedler in Amona vorpreschend, Juden in Amona, Victory-Zeichen in den Himmel zeigend: Wir werden siegen, ein trauriges Mädchen vor einer Abrißmaschine in Amona, in den Himmel ragende Drahtreste, im Hintergrund ein Siedler, die israelische Fahne aufrichtend: das ganze Programm. Für diese verbrannte und zerstörte Erde, für diese störrischen Juden hat sich Shaul Schwartz einen Visa d'Or verdient.

2007 hat Visa das Leben in Palästina, von Raed Bawayah, im Angebot. Im Artikel Perpignan. Visa pour l´Image 2010 und die Propaganda für Palästinenser habe ich ausführlich über den Kitsch berichtet. Ein Blick auf die Website des Fotografen und man sieht, was gemeint ist: Schwarz-weiße Palästinapropaganda, ästhetisch drapiert: Olivenernter, eine Metapher für Einsamkeit. Ansonsten gibt's die übliche Mischung von Entwicklungsländern im Krieg oder nur im einfachen Elend, Afghanistan, Soweto, Nordkorea, Ghana, Haïti, Mauretanien.

2008 wird Jubiläum gefeiert: Zwanzig Jahre Visa pour l'Image, zwanzig Jahre Propaganda gegen Israel, unterlegt mit Entwicklungsländerexotik und -kriegsgetümmel. Und es geht voll in den Anti-Amerikanismus, da ist noch viel nachzuholen. Enrico Danigno bringt Fotos von den Gewalttaten nach den Wahlen in Kenia. Hätte ich nur genauer hingeschaut, ob er auch Barack Obamas muslimischen Vetter Raila Odinga abgekupfert hat, für ihn hat der POTUS 2006 Wahlkampf gemacht im Muslimgewand. In drei Artikeln habe ich darüber berichtet.

Die USA der Nina Berman, 1997 erstmalig bei Visa, sind ganz groß vertreten in der Jubiläumsausstellung 2008, mit Homeland, USA. Freelens ist begeistert von Visa 2008 und von Nina Berman, sie erkundet mit ihren Bildern die Vermarktung von Krieg und die daraus resultierende Militarisierung des amerikanischen Lebens. Sie begann ihre Serie am 11. September 2001. So wird 9/11 doch im europäischen Rahmen angemessen gewürdigt, und das zum siebenten Jahrestag des Attentates auf die Zwillingstürme.

Anti-Amerikanismus, Israelfeindschaft, Palästinenserbegeisterung, Entwicklungsländerexotik: von 1989 bis 2010 Propaganda pure&dure.