28. November 2011

L'Arche. Die Zeitschrift als gestrandete Arche Noah

Wer seine täglichen Dröhnungen und Drohungen an Antisemitismus, Israelfeindschaft, Neonazi-Jagd und Islamisierung Europas weg hat, der kann sich auf seine Monatszeitschrift des französischen Judentums freuen, L'Arche. Le Magazine du Judaïsme français. Diese Zeitschrift ist im Januar 1957 gegründet worden, ich abonniere sie seit vielen Jahren. In zahlreichen meiner Artikel habe ich mich auf die immer sehr informativen Beiträge der Arche berufen, manchmal ganze Passagen übersetzt und auf meine Site gestellt, wie den Beitrag von Raphaël Draï, in L´Arche 164 / 630-631, zum 100. Jahrestag des Dekrets Crémieux. Überhaupt, die Seite Il y a 40 ans dans L´Arche. Es stand in der Arche vor 40 Jahren, habe ich immer besonders gern gelesen. Sie ist eine Fundgrube an Aktualitäten von einst. Da die Arche so gut wie nicht im Internet aufgetreten ist, gibt es wenig Dokumente dieser und ihrer anderen wunderbaren Seiten.

L'Arche präsentiert die Beiträge in den fünf Rubriken "ouvertures", d.h. Reflexionen, Meinungen, Chroniken zur Eröffnung des jeweiligen Heftes, Titelgeschichte(n), Israel, Gesellschaft und Kultur. Jeder Artikel, ob es sich um aktuelle, zeitlose, religiöse oder politische Themen handelt, ist vom Standpunkt des Judentums aus verfaßt, linke und rechte (meist linke) Juden schreiben dort für das französische und francophone Judentum. Korrespondenten und Dokumentaristen, Kritiker, Humoristen und Zeichner gestalten das Heft, in Israel arbeiten dafür acht Korrespondenten. Das Einzelheft kostet 6€, im September 2010 habe ich 98€ für mein Zweijahresabonnement 10/2010 bis 9/2012 bezahlt.

Chefredakteur der letzten 18 Jahre ist Meïr Weintrater, der seine treuen Leser in der Nummer 634, vom März 2011, liebevoll und mit Hilfe der Gematrie auf die Zukunft der Zeitschrift vorbereitet. Er müht sich auf vier Seiten, Optimismus zu verbreiten. Bei mir kommt der nicht an. Ich vergesse die Zeitschrift und schreibe die mir noch geschuldeten 18 Hefte à 3,67€ ab. Sollen sie die 73,50€ zum Abbau der Schulden verwenden!

Herausgegeben und ins finanzielle Desaster getrieben wird die Zeitschrift vom Fonds social juif unifié (FSJU), dessen Präsident ist Pierre Besnainou, geboren 1955 in Tunesien und mit finanzieller Hilfe des Präsidenten von LVMH Bernard Arnault im Jahr 1999 Gründer von Libertysurf, des véritable gouffre financier, des wirklichen Fasses ohne Boden; er verläßt die Tonne zwei Jahre später: Pierre Besnainou fondateur de Libertysurf, mille fois rebondir, tausendmal wieder auf die Beine kommen. Dem Faß ohne Boden L'Arche bleibt er erhalten.

Wikipédia informiert über Pierre Besnainou: 1995 wird er Mitglied des Verwaltungsrates des Centre Shimon Peres pour la paix, des Shimon Peres Zentrums für den Frieden, im Juni 2005 Präsident des European Jewish Congress, des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), gegen den von den jüdischen Gemeinden der USA und vom Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman favorisierten Italiener Cobi Benatoff. Leiter des Berliner Büros des EJC ist übrigens Stephan Kramer, Freund des Muslimfunktionärs Aiman Mazyek. Im Juni 2006 wird Pierre Besnainou Präsident des Fonds social juif unifié (FSJU) und Ko-Präsident des Appel Unifié Juif de France (AUJF), des Finanzzentrums der jüdischen Gemeinden Frankreichs. Die vom AUJF gesammelten Spenden werden vom FSJU zur Finanzierung von sozialen, erzieherischen und kulturellen Projekten eingesetzt. Im Januar 2010 löst er David Rothschild ab in der Präsidentschaft der Fondation du judaïsme français, einer dem jüdischen Erbe verpflichteten Stiftung.

Shimon Peres versteht es, seine Träume zu realisieren, das hat die Welt zuletzt in der Israeli Presidential Conference 2011 erleben dürfen. Der Auftritt der Sarah Silverman ist unvergessen, bis heute ziert sie die Website der Konferenz. Der verdienstvolle alte Mann, der nicht abtreten kann, zwingt der israelischen Gesellschaft seinen Geltungsdrang, seine Illusionen und Träume auf. Das ausführende Personal findet sich.

Bereits im Jahr 1998 (Wiki meint 1996) gründet er unter seinem Namen das Peres Zentrum für den Frieden, es ist angesiedelt in Jaffa, einige Meter entfernt von der Residenz des Botschafters Frankreichs und eines Arabisch-jüdischen Kulturzentrums, dessen Name nicht genannt wird.

Das Zentrum heißt englisch The Peres Center for Peace. An der offiziellen Website wird noch gebastelt.

Der linke NouvelObs ist anläßlich des zehnten Jahrestages der Gründung begeistert von der geballten Versammlung der Illusionen und Träume. Wie bei Linken üblich, können Tatsachen der Wahrheit nichts anhaben, die angeblich unpolitischen Ideale eines "neuen Nahen Ostens" werden hochgehalten. Für die Sicherheit und Zukunft Israels wünsche ich, daß sie bitte so hoch gehalten werden, daß keiner drankommt. Es versteht sich, daß von etwaigen finanziellen Beiträgen aus den reichen arabischen Scheichtümern, Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte arabische Emirate, für die Zusammenarbeit Israels mit seinen arabischen Nachbarn im Bereich Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Umwelt, Jugendsport, Kinder- und Säuglingsmedizin, Stärkung von Infrastruktur und Wirtschaft, der Unternehmen und Industriezonen der Palästinensischen Autonomiebehörde nichts zu lesen ist. Den gläubigen Muslimen kann man seit 1400 Jahren die Treue nicht zu Idealen, sondern zu klaren Zielen der Eroberung bescheinigen. Illusionen haben sie nur hin&wieder über deren Realisierbarkeit, siehe den Sechstagekrieg und den Jom Kippur-Krieg. Das ist bei linken israelischen Juden und der internationalen Linken anders, sie verstecken ihre Illusionen und Absichten hinter vernünftig und sinnvoll erscheinenden Projekten.

Einige arabische und islamische Länder sind im Verwaltungsrat vertreten, dessen 169 [sic!] Mitglieder auf der Site des Peres Center Deutschland e.V., eines der sechs außerhalb Israels arbeitenden Ableger, aufgelistet sind, sie kommen aus den Ländern Ägypten, Indonesien, Jordanien, Marokko, Türkei und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Einige Mitglieder lesen sich, was ihr Verhältnis zu Israel und zu islamischen Staaten angeht, wie aus dem Horrokabinett entsprungen, sie stammen nicht aus islamischen Staaten, sind ihnen aber ideologisch, politisch und wirtschaftlich engstens verbunden: James Baker III, Avraham Burg, Jimmy Carter, Roland Dumas, Hans-Dietrich Genscher, Filipe González, Mikhail Gorbatschow, Bernard-Henri Lévy, Federico Mayor, Amos Oz, Mario Soares, Javier Solana, Rita Süßmuth, Desmond Tutu. Aus dem Horrorkabinett entsprungen sind auch mindestens drei Kooperationspartner des Peres Center for Peace, die Anna Lindh Euro Mediterranean Foundation, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Unesco Treasury Division. Soweit diejenigen, die ich einschätzen kann, über einige habe ich in Artikeln informiert.

Es mögen noch weitere Horror-Kandidaten unter den Mitgliedern sein. Wem danach ist, der google den jeweiligen Namen plus Palestine, plus colons, plus Israel massacre, plus n'importe quoi.

Das Engagement eines Juden für andere Juden wird im April 2007 von Jacques Chirac mit der Verleihung des Ordens Légion d'honneur an Pierre Besnainou belohnt, eine verdiente Auszeichnung. Die Arabienpolitik Frankreichs kann alles und alle gebrauchen, und da der Mann obendrein noch Einfluß und Ansprüche der USA zurückdrängt, ist er der baldigen Aufwertung seines Ordens sicher.

L'Arche N° 635, November 2011

Das Stehaufmännchen Pierre Besnainou macht seinem Ruf alle Ehre, und mein Briefträger bringt mir im November 2011 die Nummer 635 von L'Arche ins Haus. Auf dem Titelblatt prangt - na? Richtig, Shimon Peres, dernier des géants, der letzte der Giganten. Auf einer Leiste, unten, werden weitere Namen genannt, deren Träger für das Heft Beiträge geliefert haben. Mir schwant dabei nichts Gutes.

L'Arche ist nunmehr eine Vierteljahreszeitschrift, umfaßt 148 Seiten und kostet statt 6€ das Doppelte der Monatszeitschrift von gleichem Umfang. Das Abonnement von vier Heften bekommt man für 48€. Ich habe also schon sechs Hefte der neuen Aufmachung bezahlt. Ich warte ab, ob die Reedereibesitzer es ebenso sehen.

Der Rücken des Heftes samt seiner Beschriftung mit dem Namen, der Heftnummer und einer Kurzform der Inhaltsangabe entfällt. Jetzt hat L'Arche etwa das Format des SPIEGEL. Publikationsdirektor und Chefredakteur sind ausgewechselt, und auch in der Redaktion und bei den Korrespondenten findet der Leser niemanden der bekannten Autoren, es gibt bis auf die zur Sekretärin zurückgestufte Generalsekretärin neue Namen sowie einen permanenten Korrespondenten in Israel. Nicht wohl ist mir in den alten Nummern schon bei Alexandre Adler, dem Schwager des Charles Enderlin, ich fürchte aber, daß ich dem noch hinterher weinen werde. Der Botul-Philosoph BHL alias Bernard-Henri Lévy ziert schon die erste neue Nummer: L'Arche : La nouvelle formule est parue, die neue Aufmachung ist erschienen. Wenn er auch nicht einmal weiß, wie Immanuel Kant geschrieben wird, so reicht es immer zum Eingreifen in ein kaputtes arabisches Land. Die Bomben dazu liefert ihm sein Freund Nicolas Sarkozy. Im Heft erfährt man Einzelheiten und darf den Bobo, gerunzelte Stirn, wehende Haare, schwarzer Anzug, weißes Hemd, dessen Manschetten lässig und überlang aus den Anzugärmeln hängen, dazu auf dem Hintergrund libyscher Trümmer bewundern. Danke BHL!

Die redaktionelle Unabhängigkeit der Arche soll laut Meïr Weintrater gewährleistet bleiben, kündigt er an, aber darüber lacht er jetzt wohl selbst oder ist traurig. Die unter Pierre Besnainou tief in die roten Zahlen versenkte Arche soll nun mit Hilfe von Politikern wieder flottgemacht werden. Die UMP des Nicolas Sarkozy und Shimon Peres sind dabei Programm.

Aber der Reihe nach. Beginnen wir mit dem Dünnbrettbohrer, der unter dem Namen Laurent David Samama den Leitartikel der Nummer 635 verfaßt: Israel face à la nouvelle donne arabe. Israel im Angesicht der neuen arabischen Gegebenheiten. Man stelle sich einen Mann vor, der sich noch nie mit arabischen Staaten und mit Israel befaßt hat. Er staunt im Februar 2011 nicht schlecht, was da plötzlich erst in Tunesien, dann in Ägypten und anderen arabischen Gegenden losgeht - wie schreibt man das nochmal, Lybien? Libyen! Uff! TF1, France 2, Le Monde und Libération informieren ihn. Er ist aufgeregt und vertraut seine Eindrücke einem Notizbuch an. Arabische Revolutionen, Israel sehr zurückhaltend, die etwa gut zu finden, "arabischer Frühling", Muslimbrüder kommen vielleicht an die Macht, Friedensverträge Ägyptens und Jordaniens mit Israel könnten wanken (es gibt tatsächlich zwei Friedensverträge!), die Iraner sind auch noch da, sie nutzen vielleicht ihren Einfluß in der Region. "All das ist möglich, und wir wissen es. Aber der jüdische Blick fordert auch ein positives Szenario," schreibt er, um sich Mut zu machen; denn er ist Jude und lebt in Frankreich. Wer ein positives Szenario von einem jüdischen Blick fordert, weiß und sagt er nicht. "Versuchen wir einmal, keine Angst zu haben," schärft er sich ein wie das im finsteren Wald vor Angst schlotternde Kind. Jetzt gilt's, die Vorsicht beiseite zu tun und einen neuen Blick (schon wieder!) auf die Lage zu werfen, ruft er, sich gut zuredend. "Und wenn Israel und die arabischen Revolten ein gemeinsames Ziel verfolgten? Die Demokratie?" Ja, wenn man es so sähe, wäre alles anders. Die von dem Verlangen nach Demokratie und Freiheit geleiteten Völker sind unterwegs und verjagen ihre Tyrannen! Es ist wie mit der Unabhängigkeitserklärung der USA, die Suche nach Glück treibt Tunesier und Ägypter an. "So wie es gut angefangen hat, kann es auch enden!" Wenn es so bleibt mit den demokratischen Revolten, dann hat Israel nichts zu befürchten. "Das kleine Land hätte sogar alles zu gewinnen!"

Der Mann legt sein Notizbuch beiseite und befaßt sich monatelang mit anderen Themen. Der Skandal mit DSK kommt auch noch dazwischen. Er sieht nicht fern, er liest keine Zeitungen. Er widmet sich dem gutaussehenden PS-lefty Arnaud Montebourg und schwätzt über ihn Belanglosigkeiten auf dem Blog des Bernard-Henri Lévy. Da hat er auch eine eigene Seite, L'imprévu. Das Unterwartete. Das kann jeder, der französisch liest nachprüfen. Wer es schafft, den Freund der Juden und Israels Georges Frêche aus der Partei werfen zu lassen, kann man in einigen Artikeln auf meiner alten Site und meinem neuen Blog nachlesen: Arnaud Montebourg.

So vergeht die Zeit im Fluge, im Juli und Agust sind Ferien, und dann bekommt er von Pierre Besnainou und Bernard-Henri Lévy die ehrenvolle Aufgabe, Meïr Weintrater zu ersetzen und Chefredakteur der neuen Arche zu werden. Er entsinnt sich seiner Aufzeichnungen, sucht das Notizbuch, findet es, liest es noch einmal kurz durch und ergänzt: "Wir sind im November 2011, gegenüber einem unendlichen Feld des Möglichen, ein Augenblick, der noch alle Hoffnung für die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens und der Welt gestattet. Wenn Tunesien, Ägypten, Lybien Libyen, und die anderen sich in Demokratien verwandeln, dann wird es keinen Traum vom Frieden mehr geben, sondern eine umgehend friedliche Wirklichkeit."

So vorbereitet auf den neuen Flachgang der Arche geht's mit dem Exklusiv-Interview weiter, das der Israelkorrespondent Yehoshua Amishav, Kommunikationsdirektor von Keren Hayesod, und der Publikationsdirektor Patrick Chasquès, Nachfolger des FSJU-Generaldirektors Jacques Benichou, mit dem 88-jährigen Präsidenten Israels Shimon Peres führen. Ich nehm's vorweg, die Seichtigkeit dieses Gesprächs steht dem Leitartikel des Laurent David Samama in nichts nach. Da meint Shimon Peres, er wünsche 100%-ig, die Revolutionen des Frühlings möchten Erfolg haben, beunruhigt sei er über die möglichen Wahlergebnisse, die Araber hätten auf die Frage zu antworten, ob sie Teil der modernen Welt werden möchten oder nicht.

Die Frage ist leicht zu beantworten: Nein, die große Mehrheit der arabischen Welt will den Islam und die Scharia, will nach Geboten und Verboten der Imame leben, das haben alle, die sich mit den Entwicklungen befaßt haben, bald gemerkt, und manche wußten es bereits vorher.

Juden und Israel werden inzwischen durch zwei Retros vereinnahmt:
  • Das Gedenken an immer weitere jüdische Opfer der Vernichtung durch Hinzufügen immer neuer Ehrenplaketten mit immer neuen Namen von Opfern, bis die sechs Millionen eines Tages wirklich alle eingraviert, die Fotos einsortiert und die in den Lagern zurückgelassenen Schuhe und Koffer einbalsamiert sind, was durch Preisverleihung der vornehmlich jüdischen Gedächtnisfunktionäre an andere, vornehmlich nicht-jüdische Gedächtnisfunktionäre mittels Geldern aus Regierungen, Organisationen und von privaten Spendern reich belohnt wird, sie kaufen sich dadurch frei,
  • und das Gedenken von Juden mit ihren zahlreichen Freunden in aller Welt an die heroischen Gründerjahre Israels, hier mit dem noch lebenden Urgestein Shimon Peres. "It’s a magic two-word formula. No, it’s not abra cadabra. That’s passé. The password is 'Shimon Peres'."

Dieses Sesam-öffne-Dich wendet auch die neue Equipe der Arche an, und heraus aus dem Urgestein tönen ausdrücklich hervorgehobene Sätze wie diese:
  • "Wir leben in einer anderen Welt. Alles hat sich geändert. Die Regeln sind nicht mehr die gleichen."
  • "Wenn ich ein Araber wäre, dann wäre mein vordringlichstes Problem herauszufinden, wie der Armut zu entkommen ist, und nicht nur, Wahlen abzuhalten."
So geht's im ganzen Interview. Bei solchen Erkenntnissen braucht man sich nicht zu wundern, wie einer meinen kann, daß der Nahost-Friedensprozeß unter Ariel Sharon in Frage gestellt worden wäre. Einen Satz anzufangen mit "Wenn ich ein Araber wäre, dann wäre mein vordringlichstes Problem ..." dokumentiert zweierlei, das fehlende Verständnis dafür, was Muslime in Gang hält, und die Anmaßung zu wissen, welche Prioriäten in ihrem Problemkatalog sie haben sollten. Wie Regierung und Medien Israels zurecht (!) reagieren, wenn ein hochrangiger westlicher Politiker einen Satz beginnt mit "Wenn ich ein Jude wäre, dann wäre mein vordringlichstes Problem ..." - so oder sinngemäß -, das erlebt man öfter, die Proteste bleiben nicht aus. Araber aber dürfen gern als unmündige Kinder angesehen werden. Sie zeigen soeben, von Marokko über Tunesien und Libyen bis Ägypten, die Ausmaße dieser Fehleinschätzung.

Die neue Zeitschrift Arche ist gespickt mit Billig-Interviews und Billig-Beiträgen. Der am 1. November 1943 in Algerien geborene Jacques Attali, langjähriger Berater des Staatspräsidenten François Mitterrand ist Interviewpartner. Schon wieder Retro! Wer erinnert sich noch an die Skandale in der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), wo Jacques Attali als ihr erster Präsident zuallererst für 750 000 GBP (ca. 873 000 EUR) aus seinem Büro den roten Travertine Marmor herausreißen und durch echten Carrara Marmor ersetzen läßt, wo er Kunstwerke und Teppiche für Summen anschafft, die alle Kostenvoranschläge sprengen? Die Ausgaben der Bank für eigene Zwecke sind doppelt so hoch wie ihre Kreditvergaben 1991 und 1992, den ersten beiden Jahren ihrer Tätigkeit. 600 000 GBP gibt die EBRD aus, um Jacques Attali und seinen Stab in Europa herumzufliegen, wo er manchmal nur einen Halt für wenige Stunden macht, in Paris übernachtet, wobei die Kosten für das Flugzeug weiterlaufen. Das und andere Exzesse sind für den britischen Independent ein gefundenes Fressen. Ich würde es bezweifeln, wenn ich nicht deutsche Freunde in London bei eben der EBRD gehabt hätte, als das alles so geschah.

Aber mehr zum Jacques Attali von heute! Der erzählt am 16. Oktober 2009 der Haaretz in einem Interview, und Le Monde übernimmt das umgehend, in Frankreich gebe es keinen Antisemitismus, das sei eine Lüge israelischer Propaganda, einer gefährlichen Propaganda. Guysen.com rückt den Artikel nur den Abonnenten raus, aber die Kommentare kann man lesen. Roland, Kommentator Nr. 19, meint: "Attali ist Teil dieser großen Intellektuellen mit den verworrenen Ideen, deren Verwirklichung oftmals in die Binsen geht, wenn sie nicht in der Katastrophe enden."

Die pro-palästinensische Website Euro-Palestine und Guerre à la Guerre veröffentlichen Teile des Interviews. Zu "Jacques Attali" "il n'y a pas d'antisemitisme en France" gibt es 4 720 Ergebnisse bei Google.fr, Alexandre Gitakos erklärt dazu auf dem Blog Légion Juive, er geselle sich damit zu Dieudonné M'bala M'bala und José Bové. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Generalsekretär der UMP Jean-François Copé erklärt auf zwei Seiten seine Ansichten zur Politik Frankreichs, Multi-Kulti, soziales System, Mut früherer Regierender, Wahrheit und Modernität in der Politik.

Dann folgt das 32-seitige Dossier: "Muß man den arabischen Revolutionen mißtrauen?" Dort liest man die geballten Illusionen, die in dieser neuen Arche schippern. Möge sie doch auf keinem Ararat der Welt landen. Die neuen Demagogen, von denen Bernard-Henri Lévy meint, sie könnten vielleicht kommen, die sind schon da. Die waren auch schon im Februar 2011 da und all die Jahre vorher. Sie wurden von den Diktatoren in Schach gehalten.  Hama 1982 stehe hier als ein Beispiel für viele. Die schlimmere Lösung für Israel als ein den Terror finanzierender Muammar al-Gadhafi das sind die vereinigten sunnitischen Fundamentalisten, von Marokko bis Ägypten. Sie werden die Terrorgruppen ihrer Länder in die Armeen eingliedern, und die USA dürfen sich überlegen, ob sie das ägyptische Militär noch weiter finanzieren. Vielleicht ist Barack Obama dann ja schon weg aus seinem Amte. Man kann nur hoffen, daß sich die Sunniten, Marke Muslimbrüder, mit den Sunniten, Marke Wahhabiten und beide mit den Schiiten des Iran anlegen. Dann bräuchte sich Israel nur zu ducken.

Der mediengeile Schöngeist, der auch schon einen Bestseller über seinen Krieg in Libyen verfaßt hat, muß sein Judentum in die Wüste bei Benghazi und im ersten Nationalen Konvent des Conseil Représentatif des Institutions juives de France (CRIF) herausschreien. Warum? Bildet er sich ein, die Muslime Nordafrikas und Frankreichs würden es ihm danken, gar mit einem positiven Bild von Juden und von Israel? So naiv kann doch keiner sein!

"C'est en tant que juif que j'ai participé à cette aventure politique, que j'ai contribué à définir des fronts militants, que j'ai contribué à élaborer pour mon pays et pour un autre pays une stratégie et des tactiques". "Je ne l'aurais pas fait si je n'avais pas été juif", a poursuivi le philosophe. "Ce que je vous dis là, je l'ai dit à Tripoli, à Benghazi, devant des foules arabes, je l'ai dit lors d'une allocution prononcée le 13 avril dernier sur la grand place de Benghazi devant 30.000 jeunes combattants représentatifs de toutes les tribus de Libye", a-t-il ajouté.

"Es ist in meiner Eigenschaft als Jude, daß ich an diesem politischen (sic!) Abenteuer teilgenommen habe, daß ich dazu beigetragen habe, die Fronten des Kampfes zu definieren, daß ich dazu beigetragen habe, für mein Land und für ein anderes Land eine Strategie und Taktiken auszuarbeiten." "Ich hätte das nicht getan, wenn ich nicht Jude gewesen wäre," fuhr der Philosoph fort. "Was ich Euch da sage, das habe ich in Tripoli gesagt, in Benghazi, vor den arabischen Massen, ich habe es gesagt während einer Ansprache, am 13. April, auf dem großen Platz von Benghazi, vor 30 000 für alle Stämme Libyens repräsentativen jungen Kämpfern," hat er ergänzt.

Ein angeblicher Philosoph erklärt: "Ich hätte das nicht getan, wenn ich nicht Jude gewesen wäre." Welche philosophische Lehre kann einen Menschen in die Lage versetzen zu wissen, was er nicht getan hätte, wenn er dieser oder jener wäre? Dieser Art kontrafaktischer Fragen kennt man von den Neuen Historikern Israels. Ich könnte genausogut behaupten, ein Jude, der sein Judentum ehrt, hätte sich niemals wie der linke BHL an Nicolas Sarkozy rangeschmissen. Beweisen kann ich das nicht.

Weiter habe ich die Zeitschrift noch nicht durchgelesen. Wären sie doch, Bernard-Henri Lévy, Laurent David Samama, gemeinsam mit ihrem Freund Frédéric Mitterrand, bei ihrer Unterstützung für Roman Polanski geblieben. Hätte er sich doch, Jacques Attali, an einen Carrara-Marmortisch in seinem Garten ein gutes Buch gegönnt. Das schaffen sie gerade noch, aber eine Arche, die ihres Namens würdig ist? Nein! Das ist ein Schiffchen in der Badewanne, und die nassen Kinder krähen, sie wären Kapitän.

Da es mich interessiert, wie das alles gelaufen ist mit dem Versenken der Arche, google ich Meïr Weintrater und lerne auf Aschkel.info, daß Laurent David Samama tatsächlich eine Kreatur des Bernard-Henri Lévy ist. Die Internet-Seite ist seit Mitte Oktober in Betrieb. Die Arche, durch die Direktion der FSJU in Gestalt von Pierre Besnainou in den finanziellen Verlust manövriert, wird gehoben und flott gemacht auf Anraten eines Vertrauten der Präsidentschaft. Alle ehemaligen Mitarbeiter sind ausgebootet. Der Kampf gegen Antisemitismus und die Delegitimation Israels wird von alten Träumern, jungen und alten Illusionisten und Opportunisten, vom Schirmherrn des JCall, einer Europa-Ausgabe der J-Street, und seinen Anhängern geführt. Inzwischen besucht sogar der Präsident des CRIF JCall. Frankreichs Elite ist versifft bis ins Mark. L'Arche paßt bestens in die Landschaft. Mit dem Judentum hat sie nichts mehr gemein. Alles, was diese Zeitschrift ausgemacht hat, ist zerstört. Das Jüdische an ihr ist, daß Juden da veröffentlichen und beweisen, daß es kein besonderes Judengen gibt.