2. Juni 2014

Brüssel. Massenmord ohne Juden

Photo : Anthony Dehez
Trauer um Miriam und Emmanuel Riva,
Dominique Sabrier und Alexandre Strens

Wohin man schaut, der Mord an vier Juden im Jüdischen Museum von Brüssel sowie die Ursachen dieser Morde, ihre Opfer und der Täter werden auf eine Weise verfälscht dargestellt, daß man es nicht für möglich halten sollte.

Update. Der Facebook-Eintrag von Tariq Ramadan ist entfernt; er hat ein Recht auf Vergessen.
Der Artikel aus dem Dreckblatt Haaretz ist noch online. 

Die einen sprechen und schreiben von drei Opfern, die anderen von vier, meist wird der Belgier fortgelassen. Einmal ist er tot, ein andermal schwer verletzt. Den Journalisten ist es bis heute nicht möglich, darüber definitiv zu informieren. Warum?

Es gibt Berichte, da geht's um einen Angriff aufs Jüdische Museum, also aufs Gebäude, oder es geht um Angriffe auf europäische Werte, auf die westliche Demokratie, sie alle seien zu betrauern. Trauer um Juden ist nicht angesagt, die werden aus den Berichten entfernt. Ich habe darüber am 25. Mai 2014, dem Tag nach dem Blutbad, berichtet: Brüssel. Vierfacher Mord an Juden.

Für Prof. Dr. Tariq Ramadan ist klar, daß es nicht gegen Juden gegangen ist, daß es sich beim Mord an Miriam und Emmanuel Riva vielmehr um die Liquidierung zweier Mossad-Agenten handelt, Antisemitismus werde nur vorgeschoben. Das Dreckblatt Haaretz sieht es ebenso.
Update

Tariq Ramadan (official)
May 27
ASSASSINATS DE BRUXELLES

Les deux touristes visés à Bruxelles travaillaient pour les services secrets israéliens selon Le Soir et d'autres sources qui se recoupent. Le gouvernement ne commente pas. Par hasard. S'agit-il d'antisémitisme ou de manoeuvre de diversion quant aux vrais motifs et aux exécutants? On condamne les assassinats d'innocents et tous les racismes, sans exception, mais il faut aussi cesser de nous prendre pour des imbéciles.

Die beiden Touristen, auf die in Brüssel gezielt wurde, arbeiteten laut Le Soir und anderen Quellen, die sich überschneiden, für die israelischen Geheimdienste. Die Regierung nimmt dazu keine Stellung. Rein zufällig. Handelt es sich um Antisemitismus oder um Ablenkungsmanöver, die wirklichen Motive und Befehlsausführer betreffend? Man verurteilt die Morde an Unschuldigen und alle Rassismen, ohne Ausnahme, aber man muß auch aufhören, uns für Dummköpfe zu halten.

The Brussels mystery: Was shooting anti-Semitism or part of spy games?
Considering how professional the shooter looked on footage, and the fact two of those killed were former Israeli civil servants, maybe the attack was actually a battle in the covert war.

Der Mörder Mehdi Nemmouche ist sowohl in deutschen als auch in französischen Medien angeblich Franzose und stammt aus Roubaix, stattdessen ist er Muslim aus Nordafrika. Bis heute weiß kaum einer, woher genau: Aus Algerien? Dahin wollte er von Marseille aus, wo man ihn am 30. Mai 2014, aus einem Bus aus Brüssel steigend, verhaftet. Der nordafrikanische Muslim besitzt die französische Staatsangehörigkeit und ist in Roubaix geboren. Das wird im Express, der wie Le Figaro dem Waffenindustriellen Serge Dassault gehört, zu originaire de Roubaix = stammend aus Roubaix.

Tuerie du Musée juif de Bruxelles: que sait-on du suspect français ? Blutbad des Jüdischen Museums: Was weiß man über den französischen Verdächtigen? fragt Marie Simon, im Express, am 1. Juni 2014.

Dschihadist wegen Anschlag in Brüssel verhaftet, berichtet Dr. Sascha Lehnartz, am 1. Juni 2014. Für ihn und zahlreiche seiner Kollegen des Qualitätsjournalismus handelt es sich noch immer um eine Schießerei, die im Deutschen eine Auseinandersetzung zweier Parteien gegeneinander mit Schießeisen meint, so wie im Western. Die Formulierung führt dazu, daß die ermordeten Juden als Täter mit verantwortlich gemacht werden.

"Bei dem Mann soll es sich um einen 29 Jahre alten Franzosen namens Mehdi Nemmouche handeln. Er soll aus der französisch-belgischen Grenzstadt Roubaix stammen, sei jedoch derzeit 'ohne festen Wohnsitz', verlautete aus Ermittlerkreisen." So kupfern alle voneinander ab.

Man bräuchte den Korrespondenten Dr. Sascha Lehnartz, ansässig in Paris, nur zu fragen: Sie sind 1969 geboren, gehören vielleicht zur Minderheit der Heterosexuellen und bekommen mit Ihrer Frau in Paris ein Kind. Würden Sie behaupten, Ihr Kind stamme aus Paris? Sie hätten genug von Ihrem deutschen Paß und wollten lieber die französische Staatsbürgerschaft. Nun haben Sie Ihren neuen Paß. Würden Sie behaupten, sie seien Franzose? Wenn Sie beides mit "Ja" beantworten, leben Sie in einer irrealen Welt.

Die FAZ ist da, am 1. Juni 2014, schon näher dran, sie schreibt wenigstens im Text, wenn auch nicht in der Überschrift, von einem französischen Staatsbürger, der eventuell Dschihadist wäre. Das heißt zu deutsch Glaubenskämpfer, macht sich aber nicht so gut; denn dann wäre die Verbindung zum Islam doch gar zu rasch hergestellt. Dschihadist ist schick und exotisch, wie Holocaust, da weiß auch niemand, was so recht das ist.

Le Figaro ist heute einmal mehr in Hochform beim Verdrängen und Verfälschen der Tatsachen. Es geht los mit der Schlagzeile auf Seite Eins, La une: Itineraire d'un délinquant passé du djihad au terrorisme. Weg eines vom Glaubenskampf zum Terrorismus gewechselten Straftäters. Le Figaro hält den seit 1400 Jahren geführten Glaubenskampf der Muslime gegen den Rest der Welt nicht für Terrorismus; vielleicht für Bereicherung?

Leitartikler Yves Thréard macht weiter wie bisher: La faiblesse des démocraties. Die Schwäche der Demokratien. Für ihn hat die Schlächterei des Mehdi Nemmouche nichts mit Judenhaß und Kampf gegen Juden zu tun. Die werden nicht einmal erwähnt, die sind nicht das Ziel des Muslims, sondern sein Ziel seien die Abendländer, die habe er im Visier, und es sei der Schwäche der Demokratien geschuldet, daß er Unschuldige umbringen könne, des innocents. Er wollte uns [sic!] vernichten/auslöschen, für das, was wir sind - Abendländer, nous anéantir pour ce que nous sommes - des Occidentaux. Dieser Leitartikler hat noch nie verstanden, worum es geht. Hier seine Ansicht zum Thema Islam, Islamismus, moderater Islamismus, radikaler Islamismus, vom Oktober 2012.

So ist das mit dem islamischen Judenhaß: Alles halb so schlimm!

Beth Ha Hayim Haus der Lebenden
Darum begibt sich der Glaubenskämpfer zielstrebig ins Jüdische Museum und erschießt vier Juden, darunter zwei Israelis, weil er Abendländer auslöschen will. Das könnte er auf jeder Fête foraine billiger haben, mit mehr Toten. Aber formuliert wie von Yves Thréard, erspart man sich die Erörterung dazu, daß Juden, erst recht Juden aus Israel, für Muslime niemals Unschuldige sind. Auf ihnen liegt gemäß Sure 1:7 der Zorn Allahs, da sie die Schrift verfälscht hätten, und auf den Israelis liegt zusätzlich der Fluch aller Muslime der Welt, weil sie sich erdreisten, auf jahrhundertelang islamisch gewesenem Boden einen nicht-islamischen Staat zu errichten.

Der syrische Muslimbruder Scheich Dr. Mohammed Ramadan al-Bouti (pbuh) hat dazu entsprechende Fatawa veröffentlicht.

Auf die Frage eines Gläubigen: "Ist ein Nichtpalästinenser verpflichtet, aus einem fremden Land zu kommen, um gegen die Juden in Palästina, die unsere moslemischen Brüder im Heiligen Land abschlachten, den Glaubenskrieg (isteshhad fee sabiliah) zu führen?" antwortet Scheich Mohamed Said Ramadan al-Bouti: "Nicht allein die Palästinenser sind verpflichtet, den Glaubenskrieg zu führen, was solange zu geschehen hat, bis Palästina von den Aggressoren und Besatzern befreit ist, sondern alle Moslems sind verpflichtet, ihn zu führen, weil Palästina ein Land des Islam ist, das alle Moslems hüten und vor Angriffen schützen müssen."

Das bringt ihm in Frankreich zur Zeit des Innenministers Nicolas Sarkozy eine Einladung in die größte Pariser Moschee ein zu einer Reihe von religiösen und gesellschaftlichen Themen. Soweit für heute zu Antisemitismus und Israelfeindschaft in Frankreich. Bei solcher Betrachtung wäre man schnell dabei, daß Frankreich einen nicht existierenden Staat Palästina anerkennt, und daß seine Regierung seit 1967 konsequent anti-israelische, pro-arabische Politik betreibt.

Zwar wird in den Medien die Parallele zu den Morden des Mohamed Merah gezogen, aber damit ist es schon genug. Wie zunächst im Fall dieses Massenmörders an Muslimen, die mit Nichtgläubigen gemeinsame Sache machen, sowie den anschließenden krönenden Morden an drei jüdischen Kindern und ihrem Lehrer wird auch im Fall des Mehdi Nemmouche davon ausgegangen, daß es sich um einen Einzeltäter handelt, un loup solitaire, den einsamen Wolf. Dies verkündet der für das Verfahren zuständige Generalstaatsanwalt François Molins, noch bevor er die geringsten Anhaltspunkte dafür hat; denn, so sagt er, der Beschuldigte mache von der Verweigerung der Aussage Gebrauch. So ist die Stimme auf dem Video, das der Mörder als Beleg für seine Allah gefällige Tat aufnimmt, mit Sicherheit nur seine und die von niemand anderem. Das müsse allerdings noch nachgewiesen werden, il reste à authentifier comme étant la sienne.

Combien de "loups solitaires" pour faire une meute ? Par Elisabeth Lévy, JForum, 6 juin 2014
Wie vieler Einzeltäter bedarf es, um eine Meute zu machen?

Inzwischen liest man auf BBC News über die Verhaftung von vier Personen, die junge Muslime für den Glaubenskampf angeworben hätten: France arrests Syria jihad suspects as Nemmouche held. Der habe auch die Tat und seinen Aufenthalt von mehr als einem Jahr in Syrien gestanden. Aber einen Zusammenhang wird die Staatsanwaltschaft erfahrungsgemäß sicherlich nicht annehmen.

Es folgt, auf Seite 2 des Figaro, ein Rührstückchen von Caroline Beyer über den Werdegang des mehrfach vorbestraften Täters mit Abitur, über sein schwieriges familiäres Leben. Seine letzte Strafe sitzt er von 2007 bis 2012 ab. Im Gefängnis sei er von Salafisten radikalisiert worden. Er habe zur Konversion zum Islam geworben und gefordert, die inhaftierten Muslime sollten beim Hofgang kollektiv beten. Ende 2012 sei er für mehr als ein Jahr über Umwege nach Syrien gereist und habe mit den radikalsten sunnitischen Gruppen gekämpft. Das sind diejenigen, die von den Freunden Frankreichs in Katar alimentiert werden.

Die Direction générale de la Sécurité intérieur (DGSI), der Inlandsgeheimdienst ist nicht in der Lage, den zukünftigen Mörder an seiner Tat zu hindern, er verliert trotz Hinweisen deutscher Behörden, vom März 2014, über seine Einreise von Südostasien in die EU die Spur des Glaubenskämpfers. Was Staatspräsident François Hollande zu alledem äußert, erspare ich meinen Lesern, Sie werden es sich denken können.

Ich wüßte jetzt gern, wann das nächste Dîner des CRIF ist, des Conseil Représentatif des Institutions juives de France. Das Dîner von 2014 mit der Rede des Staatspräsidenten ist schon vorbei, war am 5. März, mit den üblichen Phrasen, daß die Juden Frankreichs keine Angst zu haben bräuchten, zu Frankreich gehörten, der Antisemitismus in Frankreich zurückgegangen wäre, kurz, das ganze Programm. Ich möchte einmal wieder so recht von Herzen lachen, muß dafür aber bis nächstes Jahr warten. Wer dann wohl Staatspräsident ist?