25. Oktober 2017

Lagebericht aus Süd- und Nord-Katalonien

Mein jahrzehntelang in Katalonien lebender deutscher Freund, ein Geschäftsmann, berichtet:

Hola, Gudrun, ich war letzte Woche wieder drei Tage in Katalonien unterwegs. Es wird immer schlimmer!

Langsam daemmert es einigen, was da auf sie zukommt, und manche von denen, die bisher immer die Fahne fuer die Unabhaengigkeit hochhielten, versuchen jetzt, sich abzusetzen, zumindest im wirtschaftlichen Bereich. Es geht naemlich ans Eingemachte, die ersten wirtschaftlichen Einbussen auf Grund der Boykottaufrufe in Restspanien sind zu verzeichnen. Fuer viele Unternehmen der Foodindustrie, die vor allem auf das Weihnachtsgeschaeft wartet, wird das katastrophal sein.

Updates, bis zum 25. Oktober 2017
Separatisten in Nord-Katalonien schlafwandeln in einer Traumwelt.
Die Zitterpartie geht auch im Süden weiter.

Die katalanische Regierung war vor drei Jahren so stolz und froh, dass sie einen eigenen Barcode fuer ihre Produkte "1 -5" bekam. Heute bedauern die katalanischen Produzenten es, da nun die Oma im letzten Winkel Andalusiens nachsehen kann, ob ein Produkt aus Katalonien kommt oder nicht, und danach entscheidet, was sie kauft.

Eine millionenfache Kaeuferentscheidung die den Unternehmen schwer zu schaffen macht und einige in den Bankrott treibt, so beispielsweise Codorníu, die jetzt die Notbremse gezogen und den Firmensitz in die Rioja verlegt haben. Das wird allerdings wenig helfen, da durch die Position einiger Fuehrungskraefte, Familienbesitz! fuer die Unabhaengigkeit viele Spanier keinen katalanischen Sekt mehr kaufen, vor allem nicht Codorníu. Deshalb hat diese Traditionsfirma mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kaempfen, und es wird immer schlimmer.

Von unseren Gespraechspartnern der letzten Woche haben wir nur von Plaenen bzw. von schon durchgefuehrten Massnahmen der Firmensitzverlegung gehoert, vor allem von kleineren und mittleren Unternehmen. Der Boykott greift jetzt auch auf Industrieprodukte ueber, very sad times ahead fuer viele Familienbetriebe, deren Markt ausserhalb Kataloniens liegt.

Abwanderung von Unternehmen und Banken aus Katalonien. Artikel vom 6. Oktober 2017

Mehr als 1 300 Unternehmen haben seit dem 1. Oktober 2017 ihren Firmensitz aus Katalonien weg in andere Regionen Spaniens verlegt, berichtet La Vanguardia, am 23. Oktober 2017.

Nun sind es schon 1 394 Unternehmen, die Katalonien seit dem 1. Oktober 2017 verlassen haben.

Die Hotels und Restaurants in Barcelona sind halb leer, trotz einer internationalen Messe, "Barcelona Meeting Point", die dieses Jahr ein Flop war. Die Kreuzfahrtschiffe fahren jetzt verstaerkt nach Málaga, Valencia und Palma, aber kaum noch nach Barcelona. Bis vor einem Monat gab es Demonstrationen gegen Tourismus; davon ist jetzt keine Rede mehr. Die Auswirkungen auf viele Sektoren sind zum Teil dramatisch, und nachdem vor allem amerikanische Tourismusveranstalter und Fluggesellschaften Reisewarnungen ausgesprochen haben, wird alles noch schlimmer.

SEAT-Präsident und Vorstandsvorsitzender Luca de Meo


Die Grossfirmen, darunter zwei deutsche Multis, haben uns klar gesagt, dass die Stammhaeuser in Deutschland alle Investitionen gestoppt haben, die mittel- und langfristig geplant waren, und auch die Verlegung des Firmensitzes sei kein Tabu mehr. VW hat zum Beispiel SEAT freigestellt, nach eigenem Gutduenken zu entscheiden.

In dieser Woche beginnt der showdown. Am Donnerstag wird Puigdemont vielleicht im spanischen Senat sein. Keine Ahnung, was er da eventuell sagen wird, und am Freitag findet sowohl eine Senatssitzung statt, auf der Art. 155 abgesegnet wird, und die Massnahmen zur Durchsetzung beginnen, als auch eine Sitzung des katalanischen Parlaments mit der Moeglichkeit der Bestaetigung der Unabhaengigkeitserklaerung und Ausrufung von Neuwahlen.

Ein ziemliches Durcheinander, vor allem da es bereits Aufrufe zur zivilen Rebellion und der Amtsverweigerung der katalanischen Landespolizei und der Beamten gibt.

Mal sehen, wann es den ersten Toten geben wird; denn die Revolution braucht einen Maertyrer! Der laesst sich bestens verkaufen bei den internationalen Medien, obwohl die mittlerweile auch etwas misstrauischer sind gegenueber dem katalanischen Pallywood.

Jetzt bin ich wieder mit meinem Sohn unterwegs, diesmal allerdings in Madrid. Da geht es noch zivilisiert zu, obwohl auch da die Podemos Kommunisten versuchen, Proteste zu organisieren, aber ohne grossen Erfolg.

Liebe Gruesse nach Perpignan!

Lieber Freund,

ganz Nord-Katalonien ist auf den Beinen zur Rettung von Freiheit und Demokratie. Schluß soll sein mit der Unterdrückung der Katalanen durch die Knute der spanischen Zentralregierung. Ich weiß allerdings, daß die nord-katalanischen Separatisten von einer großen Mehrheit der Nord-Katalanen als Spinner bezeichnet werden: Nord-Katalonien will auch ein Referendum? Artikel vom 5. Oktober 2017

Diese Spinner bekommen täglich ein Forum in unserem Lokalblatt L'Indépendant.

Die Kommunistische Partei Frankreichs, Abteilung Ost-Pyrenäen, PCF66, darf, am 25. Oktober 2017, auf der Seite 23, ein Kommuniqué veröffentlichen, in dem die "beiden Jordi", Jordi Cuixarts, Òmnium Cultural, und Jordi Sànchez, Assemblea Nacional Catalana (ANC), beide "sehr friedfertig und gewaltlos", zu politischen Gefangenen erklärt werden, die nicht gegen Kaution freigelassen würden, sondern in Kerkern von Madrid schmachten. Der Mossos-Chef wäre dem gerade so entkommen.

Die Kommunisten merken nicht, was sie damit der Ehre ihrer damaligen Genossen antun, die unter der Franco-Diktatur verfolgt und umgebracht wurden. Was in Deutschland bei den Altparteien und ihren Medien die Nazi-Keule, das ist bei linken und separatistischen Katalanen die Franco-Keule!

Auf Seite 28, Rubrik "Eurorégion" wird, am 25. Oktober 2017, endlich mitgeteilt, daß die CaixasBank ihren Sitz nach Valencia verlegt hat, und daß 1 394 Unternehmen seit dem 1. Oktober 2017 ihren Firmensitz aus Katalonien verlegt haben. Nicht erwähnt wird, daß in Katalonien das PIB in der Zeit um 21% gesunken ist.


Kein Witz! "Ein Exil in Nord-Katalonien? Wohnungen und Verstecke in den Ost-Pyrenäen 
für Carles Puigdemont und seine Regierung"

Un exil en Catalogne nord? 
Des logements et des planques dans les P.-O. pour Carles Puigdemont et son exécutif.
Par Corinne Sabouraud. L'Indépendant, le 23 octobre à 16h38

Der "berühmte Jurist" (!) Robert Casanovas, Präsident des Comité pour l’autodétermination de la Catalogne nord, sucht Wohnungen “gehobenen Standards” für die von der spanischen Zentralregierung ins Exil getriebenen Regierungsmitglieder und Abgeordneten.

Die Franco-Diktatur besteht ungebrochen fort: 

Seine Villa in Théza hält Robert Casanovas schon für Carles Puigdemont und dessen Familie bereit. Jaume Roure, Präsident der Unitat catalana, sucht ebenfalls Häuser und Wohnungen. Mindestens 100 Personen müßten untergebracht werden, etwa 50 Regierungs- und Parlamentsmitglieder + Frauen und Kinder. 25 Wohnungen stehen schon bereit zwischen Font-Romeu und Saint-Cyprien.

“Cette solidarité fait chaud au coeur.” Diese Solidarität ist herzerwärmend.

Das alles geschehe in aller Legalität, man habe den Präfekten der Pyrénnées-Orientales bereits informiert, aber man sei bei Ablehnung auch bereit, sich über das Gesetz hinwegzusetzen, “braver la loi”, dieses wäre eh niederträchtig, “scélérate”. Vorbereitungen zum Empfang der politisch Verfolgten werden in der Öffentlichkeit besprochen. Vielleicht höre ich zu, es ist zehn Minuten von mir entfernt.

Mittwoch, 25. Oktober 2017, 20 Uhr:
Solidaritat catalana, El Casal de Perpinyà, 23 avinguda del liceu, Perpinyà.

Meinen Vorschlag könnte ich französisch vorbringen, noch gehört Nord-Katalonien ja zu Frankreich:


Carles Puigdemont, umgeben von seiner Exil-Regierung, proklamiert die Unabhängigkeit Kataloniens von Perpignan aus, auf den Treppenstufen des Palastes der Könige von Mallorca. Das hätte einen internationalen Haftbefehl und Auslieferungsersuchen nach Spanien zur Folge. Die heroischen Kämpfer für Freiheit und Demokratie, angeführt von Robert Casanovas und Jaume Roure, stellen sich schützend vor sie und singen die Nationalhymne Els Segadors, den traurigen "Gesang der Mäher".

Unser Departement, eines der ärmsten Frankreichs, käme endlich in internationale Schlagzeilen, Journalisten aus aller Welt würden uns beehren, jeden Tag wäre lebendige Fotoausstellung, Visa pour l'Image bis zum Abwinken, à volonté.

Wenn ich doch das bitte erleben dürfte! Ich zittere mit!

Update

An die 100 Personen drängeln sich im Casal, alles, was links vom Parti Socialiste agitiert, propagiert und organisiert, angereichert mit einigen rechten Separatisten. Francesc Bitlloch (Foto), ANC Catalunya nord, Nicolas Garcia, PCF66, Pere Manzanares, Òmnium Catalunya nord, einige Dorfbürgermeister. "Freiheit für die politischen Gefangenen Jordi Cuixarts und Jordi Sànchez!" Sie schmachten im Kerker. "Der spanische Staat tritt die Grundrechte mit Füßen!" Ein "Bankkonto der Solidarität" wird eröffnet, eine "Kasse des Widerstandes", der Beitrag beträgt 30 Euro. Schecks werden ausgestellt. Die katalanischen Separatisten schlafwandeln in einer Traumwelt:


Eine zweite Retirada wird vorbereitet! Das Erwachen wird bitter!
Die Katalanisten des Pays catalan sind am Ende.

Foto: ar-Reuters

Die Zitterpartie geht auch im Süden weiter. Eine "Prätorianergarde" isoliert Carles Puigdemont in seinem Palast; er befinde sich in den Händen seines Vizepräsidenten Oriol Junqueras, des Vorsitzenden der katalanischen links-nationalistischen Esquerra Republicana de Catalunya (ERC).

Una "guardia pretoriana" en el Palau aísla a Puigdemont y le deja en manos de Junqueras.
Por Marcos Lamelos, El Confidencial, 25.10.2017, 05:00

"Auf dem Tisch liegen drei Optionen: Ausrufung der Republik und konstituierende Neuwahlen, eine Einseitige Unabhängigkeitserklärung oder vorgezogene Neuwahlen."

Carles Puigdemont reist nicht nach Madrid zur Anhörung durch den Senat, um dort auf die drohende Anwendung des Artikels 155 zu antworten. Ist auch besser so, sonst wirst Du bestimmt verhaftet, Karl, und kannst nicht mehr zu uns abhauen. Was wird dann aus der Werbung für unser Département?

Prima, Carles, Du rufst nach der Abstimmung im Senat über die Anwendung des Artikels 155 die Einseitige Unabhängigkeit aus und kommst dann ganz schnell zu uns, nach Nord-Katalonien.

Zur Lage in Katalonien in Spanisch La VanguardiaEl ConfidencialEl Mundookdiario und andere.

Fortsetzung:
Kataloniens Abstieg vom Referendum bis zum Artikel 155. 27. Oktober 2017

Katalonien in meinem Blog-Archiv Lesen, und sich entsetzen!